Saturday, October 18, 2008

Es gibt Tage an denen ich keine 1000 Mark verdiene

Worte meines Vaters.
Ich habe jahrelang geglaubt das das nur einer von den vielen Sprüchen meines Vaters war.Viel später ist mir aufgegangen das es 2000 Mark waren. Nun, mein Vater ist gestorben, und ich kann seine Geschichte hier erzählen. Ich erzähle sie hier aus meiner Sicht und in Fragmenten, so wie sie mir aus meinem Gedächtniss auftauchen.
1974 ist mein Vater Schützenkönig in Schneverdingen in der Lüneburger Heide geworden. Das wird man nicht so ohne weiteres. Er war Schlachtermeister der Stadtfleischerei Brettschneider.
Er war Jemand. Schützenkönig in Schneverdingen zu werden war kein billiges Vergnügen. Jede Menge Freibier musste bezahlt werden, und viele Feste wurden ausgerichtet.
1969 hat er den Bertieb zusammen mit meiner Mutter in der Neuen Straße 11 von der Familie Broocks übernommen. Es war wohl eine goldene Zeit, und wenn ich mich richtig erinnere war sein Beiname als Schützenkönig "der Sonnenkönig". Die Geschäfte gingen prächtig und das durfte man auch in geringem Umfang zeigen. Gering deshalb, weil man keinen Neid auf sich ziehen wollte. Deshalb wurde auch nur ein gebrauchter Mercedes gekauft, allerdings ein 220 S in weiss. Diesen durfte/ musste ich immer Sonnabends waschen von Hand.
Zurück zu den 1000 Mark. Erst vor ein paar Jahren habe ich mal die Rechnung augemacht, was es heisst 1000 Mark am Tag zu verdienen, netto Cash.
Da war das Hauptgeschäft in der Neuen Strasse, der City Grill am Stadtplatz neben Aldi, eine Filiale bei Spar, mehrere Wirtschaften zum beliefern und reichlich 10 Bundeswehr Kantinen im Heidekreis bis Celle,und zu guter letzt wurde jedes Volksfest,Schützenfest und ähnliches mit einem Verkaufsstand ausgerichtet. Laut Bilanz erwirtschaftete das Unternehmen ca. 350.000,- DM nach Steuern. Das war Ok und durchaus üblich. Nebenher hatte mein Vater einen tollen Deal mit den Pächtern der Bundeswehrkantinen, und der ging so:
Die Wirte mussten jede Rechnung ihres Lieferanten bei der HeimBetriebsGesellschaft einreichen, weil sie anhand ihrer Umsätze die Pacht entrichteten. Deshalb bekamen die Wirte nur die Hälfte ihrer Ware auf Rechnung, die andere so. Das Geld wanderte bar in die Banktasche, und somit auf direktem Weg in die Brieftasche meines Vaters.
Damit sind dann auch die 2000 Mark geklärt.
Einmal ist ihm das Finanzant auf die Schliche gekommen, über eine ganz banale Sache: Für die Feste die mit Wurstbuden oder Bratwurstwagen bestückt wurden benötigte der Betrieb auch eine entsprechende Menge an Wurstpappen und Senf nebst Toastbrot. Ein penibler Buchprüfer des Finanzamtes hatte sich die Mühe gemacht und den Bestand an eben diesen Dingen mit der Inventur abzugleichen. Im Ergebniss wurden 50.000 Mark fällig, zahlbar in 4 Wochen. Ein Unglück für meine Mutter, denn die war für die Finanzen zuständig.
Meinem Vater machte etwas anderes Kopfschmerzen. Im Rausch hatte er einem unserer Gesellen, prahlerisch erzählt wieviel er schwarz nebenher verdient. Fatal war, daß er seit dieser Zeit eine Schweigegebühr an diesen Gesellen ( mir unter dem Namen Herr Jesse geläufig) leisten musste. Damit dieser ihn nicht beim Finanzamt anzeigte. Das wiederum war sehr lohnend für den Herrn Jesse, damit war die Finanzierung seines Bungalows unweit der Firma gesichert.
Ja Ja - goldene Zeiten.
Der Spitzname meines Vaters war Richard Kimble .
Ich habe mich lange Jahre gewundert was dieser Name wohl bedeutet, und wie er dazu gekommen war.
Er bezog sich auf die Fernsehserie Dr. Kimble auf der Flucht.
Es hatte sich nämlich folgendes zugetragen: in einer lauen Sommenacht hat mein Vater, wiedermal im Rausch, den schönen MB 220 S an einen Baum gefahren.
Ich war Schüler zu dieser Zeit und bemerkte am Montag Morgen sofort, das meine Mutter aufgelöst war und mein Vater nicht anwesend. Nach der Schule fragte ich dann meine Mutter wo den der Vater sei, und bekam eine ausweichende Antwort. Eben nicht da. Aha.
Später setzte sich die Story so zusammen: Nachdem er den MB zu Schrot gefahren hatte, hat Vater einen Freund aus dem Bett geholt und mit ihm zusammen den Wagen in eine Tiefgarage verfrachtet. Danach machte er sich auf die Suche nach genau dem gleichen Fahrzeug. Die Suche war nach 3 Tagen erfolgreich. 3Tage in denen er sich nicht zu Hause meldete, und die Familie im Ungewissen ließ. Die Polizei wollte auch wissen wo denn der Fleischermeister ist, und rief meine Mutter in regelmäßigen Abständen an. Meine Mutter war einem Nervenzusammenbruch sehr nahe, weil auch sie nichts wusste. Dann am besagtem 3 Tag, fuhr mein Vater mit dem unversehrtem MB 220S vor, und mimte die Unschuld. Das Auto war augenscheinlich ohne Schaden und hatte die richtigen Nummernschilder. Horst Adermann, Komissar bei der Kripo Soltau, fragte: Na Hartwig, soll ich mir mal die Fahrgestellnummer anschauen ? Oder möchtest du eine Parkbank im Höpen stiften ?
Die Bank steht heute noch, hat aber leider keine Inschrift.
Fortsetzung folgt.....

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